Sub-Kultur (Sub 3)
|
Würdest du dich einer Sub-Kultur anschließen, um deine kränkelnde Beziehung zu heilen?
Fünf Jahre nach dem holprigen Start ihrer Beziehung haben Noah und Pierce sich gut in ihr Leben als Paar eingefügt. Die Ankunft eines zweiten Kindes hätte eigentlich ihr Eheglück perfekt machen sollen, doch die Belastung, ein Baby und einen Teenager großziehen zu müssen während gleichzeitig der Druck in ihren Jobs wächst, fordert ihren Preis. Mitten in dieser ohnehin schon explosiven Situation taucht dann auch noch Noahs jüngerer Bruder Jonah auf und zwingt Noah, sich mit der problematischen Beziehung zu seinen homophoben Eltern auseinanderzusetzen. Als Noah beginnt, sich seltsam zu verhalten, und Pierce seine Eifersucht einfach nicht überwinden kann, wird den beiden klar, dass sie die Risse in ihrer Beziehung nicht länger ignorieren können. Sie versuchen, ihre schwindende Liebe am Leben zu erhalten, doch als Noah sich nach dem Trost sehnt, den eine gewisse Sub-Kultur ihm bieten kann, muss Pierce sich überlegen, welche persönlichen Grenzen er überschreiten kann. Weitere Bücher in dieser Reihe: |
Exklusiv-Leseprobe aus Sub-Kultur
Copyright Sage Marlowe, 2015
KAPITEL 1
„Verdammt, nicht schon wieder!“ Noah klemmte sich die Bettdecke unter den Arm, drehte sich um und vergrub den Kopf in seinem Kissen.
„Äh, du bist dran, Schatz“, erinnerte Pierce ihn. Er wusste kaum noch, wie seine Stimme funktionierte. Wenn er doch bloß nicht so unglaublich, lähmend müde wäre … Es kostete ihn einige Anstrengung, ein Augenlid zu öffnen, dann warf er einen Blick auf den Wecker auf dem Nachttisch, was ihm aber auch nur gelang, weil der direkt in seinem verklärten Sichtfeld stand. Ansonsten hätte er sich die Mühe nicht gemacht.
Eine Ansammlung von kleinen grünen Strichen informierte ihn, dass es halb drei war. Also noch drei Stunden Schlaf, bis er aufstehen musste. Für Noah waren es noch vier—zumindest theoretisch.
„Das kann nicht sein!“ Noahs Protest wurde von dem Berg aus Kopfkissen und Decke, unter dem er sich vergraben hatte, gedämpft, war aber trotzdem vehement. „Ich war doch letzte Nacht schon dran.“
„Tut mir leid“, murmelte Pierce halb entschuldigend, halb erleichtert und wie betäubt vor Müdigkeit. „Das war vorletzte Nacht.“
„Scheiße.“ Die Matratze wippte, als Noah sich aufsetzte. Dann ein geräuschvolles Einatmen—Noah gähnte. „Sollte er nicht eigentlich inzwischen die Nächte ohne Mahlzeit durchstehen können?“
Wie auf ein Stichwort hin durchbrach ein weiterer langer, herzzerreißender und ohrenbetäubender Schrei den letzten Rest der Nachtstille.
„Versuch doch mal, ihm das zu sagen“, erwiderte Pierce.
„Pheebs brauchte nachts keine Zwischenmahlzeit mehr als—“
„Sie sechs Monate alt war. Ich weiß. Phinneas ist aber nicht Phoebe. Er ist nun mal er selbst, und er braucht nachts noch seine Milch, also müssen wir sie ihm geben. Du musst sie ihm geben.“
„Ja, schon gut“, grunzte Noah und stand auf. „Ich komme ja“, grummelte er auf dem Weg in den Flur, dann, Sekunden später, klang seine Stimme viel zärtlicher, als er sagte: „Na hallo, du kleiner schlafloser Sabberzwerg. Hast du schon wieder Hunger, hm?“
Weitere Worte folgten, aber sie waren zu leise als das Pierce sie hätte verstehen können. So wie er Noah kannte, war es eine Mischung aus zärtlichen Koseworten und liebevollem Schimpfen, so wie immer, wenn er total übermüdet nach dem Baby sah und einen Teil seines Frusts ablassen musste. Noah würde niemals die feurige Seite seines Temperaments vor den Kindern rauslassen. Es machte ihn zu einem guten Vater—jedenfalls zum Teil. Er war geduldig, weichherzig, humorvoll … Pierce fiel es zunehmend schwer, sich auf die Geräusche aus der Küche zu konzentrieren, wo Noah das Fläschchen für das Baby zubereitete.
Nein, die beiden waren nicht mehr in der Küche. Noahs leichtherziges Geplapper wurde lauter, als sie sich der Schlafzimmertür auf dem Weg zurück in Phins Zimmer näherten. Pierce lauschte dem vertrauten, beruhigenden Klang von Noahs Stimme und ließ sich von der süßen Melodie des schwachen Dialekts in den Schlaf lullen.
Die Ruhe dauerte nicht lange. Gerade einmal dreißig Minuten, laut den kleinen grünen Strichen auf dem Wecker. Die Matratze wippte erneut, aber anstelle von Noahs eins achtzig großem, mit sehnigen Muskeln ausgestattetem Körper, krabbelte etwas—oder vielmehr jemand—in Pierces Bett, der wesentlich kleiner, aber auch um einiges knochiger war. Ein winziger, aber spitzer Ellbogen traf ihn in die Rippen mit einer Genauigkeit, auf die jeder professionelle Ringkämpfer stolz gewesen wäre.
„Ver-Phoebe!“, schnaufte Pierce, als die Luft viel schneller aus seinen Lungen wich als er beabsichtigt hatte. „Was machst du denn hier?“ Er rieb die Stelle links neben seinem Brustbein. Das würde einen fiesen blauen Fleck hinterlassen.
„Phin hat mich geweckt“, beschwerte sie sich.
„Das ist aber kein Grund für dich, um diese Zeit aufzustehen“, sagte Pierce.
„Ich kann aber nicht schlafen.“
„Natürlich kannst du nicht schlafen, wenn du herumläufst und—hey!“
Phoebe hatte den Platz eingenommen, den Noah erst vor einer halben Stunde geräumt hatte, und sich, ganz wie ihr Vater zuvor, die Bettdecke unter den Arm geklemmt. Genau wie er vorhin, drehte sie sich um, vergrub den Kopf im Kissen und fing prompt an leise zu schnarchen. So viel zu nicht schlafen können.
Pierce wusste, dass er sie zurück in ihr Bett tragen sollte, aber der Gedanke daran, sein warmes, beinahe gemütliches Nest zu verlassen, war unerträglich. Außerdem fühlten sich seine Knochen an, als bestünden sie aus Blei. Wie sollte er sich denn bewegen, geschweige denn auch noch das zusätzliche Gewicht eines zwölfjährigen Kindes tragen, wenn sein eigener Körper schon zu schwer war? Er überlegte noch immer, ob er den Versuch starten sollte, die nächtliche Besucherin in ihr eigenes Bett zurück zu befördern, als Noah zurück kehrte. Eine weitere halbe Stunde war vergangen, wie die Zahlen auf dem Wecker verkündeten.
„Besetzt“, warnte Pierce und deutete auf Noahs Seite des Bettes.
„Fan-verdammt-tastisch!“ Noah stand neben dem Bett und sah auf sein schlafendes Kind hinab. „Warum hast du sie nicht in ihr Zimmer zurückgeschickt?“
„Konnte ich nicht. Als mir klar wurde, was los war, hatte sie sich schon in die Decke eingerollt. Was war denn mit Phin? Du warst ganz schön lange weg.“
„Ich weiß.“ Noah stieß einen entnervten Seufzer aus. Oder vielleicht war es nur ein weiteres Gähnen. „Ich musste ihn nach dem Füttern noch wickeln, dann war er wach und wollte spielen, hat sich vollgekotzt, also musste ich ihn wieder umziehen—das Übliche eben.“ Er sah Phoebe einen Moment lang an, dann murmelte er: „Was denkst du, soll ich jetzt mit ihr machen?“
Die Tatsache, dass er Pierce um Rat fragte, sagte sehr viel über das Maß seiner Erschöpfung aus. Vor nicht allzu langer Zeit hatte er bei jedem einzelnen Schritt mit Pierce um die Kontrolle gekämpft. Jetzt war er zwar etwas lockerer geworden, traf aber noch immer schnell selbst die Entscheidungen und fragte nicht oft nach—vor allem nicht, wenn es um ihre Kinder ging, und ganz besonders nicht bei Dingen, die Phoebe, seine leibliche Tochter, betrafen.
„Trag sie wieder ins Bett“, schlug Pierce vor. Er wusste, dass er keine große Hilfe war, aber er war einfach so verdammt müde.
Noah kaute auf seiner Unterlippe. „Ich weiß nicht so recht. Vielleicht braucht sie die, äh, Nähe und die Bestätigung durch den Kontakt mit uns. Sie versucht schon seit einer Weile immer wieder, zu uns ins Bett zu kommen, stimmt’s?“
„Mm-hmm.“
„Glaubst du, das hat etwas mit dem Baby zu tun? Vielleicht fühlt sie sich vernachlässigt und ist eifersüchtig, weil er so viel Aufmerksamkeit bekommt.“
„Ich weiß nicht. Vielleicht.“ Ganz ehrlich, viertel vor vier morgens war keine gute Zeit, um elterliche Angelegenheiten zu besprechen, auch wenn Noah da offenbar anderer Meinung war. Aber so war das mit Noah. Wenn er erst einmal richtig wach war, blieb er es auch eine Weile. Selbst wenn es mitten in der Nacht war und er nur noch etwa drei Stunden Zeit hatte, bis er ohnehin aufstehen musste. Drei Stunden für Noah, also noch zwei für Pierce.
„Ich habe noch nicht darüber nachgedacht, um ehrlich zu sein“, fügte Pierce hinzu als ihm klar wurde, dass Noah sich mit der kurzen Antwort nicht zufrieden geben würde. „Es klingt aber so, als wäre das deine Vermutung.“
„Ja, irgendwie schon. Seitdem er da ist, ist sie auch viel kuschelbedürftiger geworden. Weißt du noch, wie sie erst vor ein paar Monaten ganz erwachsen und unabhängig getan hat?“ Endlich setzte er sich auf das Bett, neben Phoebe. Er streckte die Hand aus und streichelte ihr Haar.
„Sieh dir nur mein Baby an. Sie ist schon ganz erwachsen und unabhängig, nicht wahr?“
„Noah, Liebster?“
„Hm?“
„Ich störe diesen Moment immensen väterlichen Glücks ja wirklich nicht gerne, aber könntest du jetzt bitte Phoebe in ihr Zimmer bringen und wieder ins Bett kommen?“
Noah hob überrascht den Kopf. Seine Augen glitzerten in dem schwachen Licht der Straßenlaterne, das von draußen hereinfiel, als er Pierce anstarrte, aber falls die unfreundlichen Worte ihn verletzt hatten, ließ er sich das nicht anmerken. Das war auch so eine Eigenart von Noah. Wenn ihm etwas zu schaffen machte, zeigte er das nur selten.
Pierce versuchte, versöhnlich zu klingen. „Tut mir leid, Schatz. Ich bin total erledigt und würde gerne wenigstens noch ein bisschen schlafen, bevor ich aufstehen und sie für die Schule fertig machen muss—und mich für die Arbeit.“
„Ist ja auch egal.“ Noah stand wieder auf, beugte sich hinab und schob die Arme unter Phoebes schlafenden Körper. Es gelang ihm zwar ganz gut, sie hochzuheben, aber Pierce entging nicht, wie er unter ihrem Gewicht schwankte, als er sie zur Tür trug. Noah würde sie nicht mehr lange einfach so herumtragen können. Es war jetzt schon schwer, eine Zwölfjährige zu tragen, auch wenn das betreffende Mädchen klein und zierlich für ihr Alter war.
Sie war schon immer ein zartes, kränkliches Kind gewesen, der Nebeneffekt eines angeborenen Herzfehlers. Eine hochgefährliche Operation hatte ihr Leben gerettet, aber davor hatte Noah in ständiger Angst davor gelebt, dass ihr kleines Herz versagen könnte. Er hatte sie alleine großgezogen und trotz all der Schwierigkeiten liebte Noah seine Tochter über alles.
Es hatte eine Zeit gegeben, in der Pierce sich gefragt hatte, wer für Noah an erster Stelle stand. Auch jetzt noch stellte er sich diese Frage hin und wieder, hatte sie aber nie laut ausgesprochen. Er hatte sich schon vor langer Zeit damit abgefunden, dass Phoebe die wichtigste Person in Noahs Leben war. Jetzt, nach über fünf Jahren in einer stabilen und größtenteils glücklichen Beziehung, war er sich ziemlich sicher, dass er und Phoebe beide an erster Stelle standen—nur eben auf verschiedenen Listen. Und seit der Ankunft des kleinen Phinneas, dem leiblichen Kind, auf das Pierce schon nicht mehr zu hoffen gewagt hatte, konnte er Noah verstehen. Inzwischen wusste Pierce die Eigenschaften eines guten Vaters in seinem Liebhaber zu schätzen.
Mehr als nur Liebhaber, dachte er und berührte den Ring an seinem Ringfinger. Ehemann. Offiziell und rechtmäßig anerkannter Lebensgefährte. Noah Conway-Hollister, der sture, irische Hitzkopf der sein Herz gestohlen und ihn durch die Hölle geschickt hatte, bevor er ihn zum glücklichsten Mann der Welt gemacht hatte, indem er zu seinem Lebensgefährten geworden war.
Pierce bemerkte kaum, wie Noah wieder ins Bett schlüpfte und sich an ihn schmiegte. Er glaubte, eine harte Beule zu spüren, die sich gegen seine Pobacke presste, war sich aber nicht sicher. Selbst wenn es das war—und in Anbetracht von Noahs recht großem sexuellem Appetit war das wahrscheinlich—konnte er … es einfach nicht. Nicht mitten in der Nacht, nicht, wenn er am Morgen zuvor um fünf aufgestanden war um das Baby zu unterhalten bevor er sich auf den Weg zu einem anstrengenden Arbeitstag gemacht hatte. Nicht einmal, als er spürte, wie Noah auf diese unmissverständliche Art die Hüften bewegte und sich an Pierces Hintern rieb. Nicht einmal, als Noah eine neugierige Hand unter die Bettdecke schob, mit den Fingern über Pierces Rippen streifte, seinen Bauch streichelte und sich auf den Weg gen Süden machte.
Pierce gelang es einfach nicht, so zu reagieren, wie er es wollte—so, wie er reagieren sollte. Wenn er die Hand einfach ignorierte, würde sie hoffentlich verschwinden.
Noah streichelte ihn einige schulderfüllte Augenblicke lang, dann wurden seine Bewegungen langsamer und seine Berührung schwächer. Er gab sich schließlich mit einem frustrierten Seufzer geschlagen und drehte sich um, wobei er ganz eindeutig nur so tat, als würde er Pierce den geheuchelten Tiefschlaf abkaufen.